Coworking
Nutzungskonzepte als Reflex auf die Veränderung der Arbeitswelt — Auszug aus einer theoretischer Auseinandersetzung mit dem Thema.
Der Begriff des Coworking wurde vom Programmierer Brad Neuberg aus San Francisco geprägt: Voneinander unabhängige und projektweise arbeitende Menschen aus Kreativberufen, Künstler, Schriftsteller, Programmierer, Fotografen, Illustratoren, Architekten, Designer und andere teilen sich nicht nur gemeinsam eine Büroinfrastruktur oder eine Arbeitsumgebung, sondern unterstützen sich gegenseitig mit branchenspezifischen Hilfs- und Dienstleistungen.
Nebenbei entwickelt sich so ein soziales wie berufliches Netz. Es entsteht eine Kollegialität und es bilden sich Kooperationsformen ohne institutionellen Rahmen.
Dieser Trend zum Coworking griff mehr und mehr auch nach Europa über. Charakteristisch für die Coworker ist eine freiberufliche Tätigkeit als Klein- und Kleinstunternehmer, die in immer neuen strukturellen Zusammenhängen projektorientiert von Auftrag zu Auftrag wirtschaften, mit vielfach unregelmäßiger Auftragslage. Viele leben gar in prekären Arbeits- und Lebensverhältnissen, weil die Honorare im Kreativbereich frei verhandelbar sind, und die Zahl der Kreativen stetig ansteigt, so dass die Konkurrenz groß ist und weiter wächst.
Die Arbeitsmittel sind beschränkt, aber funktional mächtig und mobil – meist nur Laptop und Handy – und so ist es nicht verwunderlich, dass die Anzahl der in Cafés arbeitenden Menschen rapide zunimmt.
Die angesprochene Zielgruppe versteht sich aber keineswegs als „Getriebene“ der Modernisierung. Flexibilität meint auch ein subjektives Selbstverständnis und einen Anspruch an die eigene Organisation von Arbeit und Leben zu dem Preis der damit verbundenen Ungewissheit. Der Vorteil von Anstellungen in Unternehmen, Betrieben, Universitäten oder anderen öffentlichen und privaten Einrichtungen ist die institutionell gegebene, soziale und räumliche Einbettung. Studenten und Angestellte können die Infrastruktur und das Netzwerk dieser Institutionen nutzen. Sie erhalten so Unterstützung in ihrer Arbeit und finden schnell Anschluss. Für selbständig Tätige und Kleinunternehmer entfällt dieser Vorteil der sozialen Umgebung, da sie vor allem zu Beginn ihrer Berufstätigkeit oft alleine arbeiten, auch weil sie sich ein eigenes Büro nicht leisten können. Der private Lebensraum wird deshalb auch physisch der Arbeit angepasst, so dass Privat- und Arbeitsleben miteinander verschmelzen, zumal auch starr geregelte Arbeitszeiten entfallen. Der soziale Austausch, Diskussionen über die Arbeit, über Erfahrungen, und die Rückkoppelung durch Dritte sind stark eingeschränkt. Dies birgt die Gefahr der Isolation und der Überforderung.
Die Bedeutung von informellen Netzwerken aus Freunden, Kollegen und lokalen Produktionsstätten erhält deshalb im beruflichen Alltag einen enormen Stellenwert. Gleichzeitig wächst das Bedürfnis nach Professionalisierung und nach Dienstleistungsangeboten wie preisgünstigen, flexiblen Mieten, nach Unternehmens- oder Rechtsberatung.
Coworking Spaces sollen nun durch die intelligente Verschränkung der digitalen und der realen Arbeitsumgebung den arbeits- und lebensweltlichen Bedürfnissen der Zielgruppe nach Mobilität, Flexibilität und ungehinderter Kommunikation Rechnung tragen und so den kreativen Freiberuflern attraktive Räume bieten, in denen Arbeiten und Leben in eine adäquate Balance gebracht werden können. Die Philosophie der Coworking Spaces folgt letztlich der Erkenntnis, dass auch in einer durch erhöhte Mobilität und durch moderne Kommunikationsmittel scheinbar entgrenzten Welt auf der persönlichen und kulturellen Ebene das Bedürfnis nach Heimat, nach Identität und Zugehörigkeit fortbesteht.
Einer der ersten und der wohl bekannteste Coworking Space in Deutschland ist das Betahaus Berlin. An den Vorüberlegungen zu Konzept und Businessplan war Klemens Vogel selbst beteiligt. Mit den Planungen und Ausführung des Betahaus Berlin sowie seiner Erweiterung im vierten Stock des Gebäudes und des Betahaus Hamburg war sein Büro atelier >zugvogel, später Vogel/Wang GbR, beauftragt (s. Projekte 5–7). Da viele Unternehmen die Notwendigkeit spüren ihre Büroräumlichkeiten den neuen Arbeitsformen anzupassen und mit ähnlichen Arbeitsumgebungen experimentieren, stellt sich die Aufgabe, eine Typologie zu entwickeln, die sich in die historische Entwicklung der Architektur von Bürogebäuden einreiht. In diesem Kontext ist seine Diplomarbeit zu sehen. Diese Erkenntnisse fließen auch in seiner Gebäudelehre in der Lehre an der PBSA in Düsseldorf ein.